Hola,
diese Woche war intensiv und einfach großartig. Außer essen und wenig schlafen gab es nur tanzen, tanzen, tanzen! Und natürlich viele nette Kontakte mit den anderen TeilnehmerInnen. Wir sind ca. 80-90 TänzerInnen, eine größere Gruppe jeweils aus Montreal und aus England, und dann einige aus Deutschland, Russland, Kalifornien, Schweden, Norwegen und Dänemark, aus der Schweiz und wir sind wieder einmal die einzigen aus Österreich. Und die ganze Konversation ist ein Sprachenmix aus Englisch und Spanisch – sehr toll, sehr anstrengend!!!
Organisiert wird das Festival von Mariana Docampo und Augusto Balizano. Die beiden sind total herzlich und fürsorglich und so wie auch die anderen LehrerInnen aus Buenos Aires sind sie sehr humorvoll mit einer Portion Selbstironie. Und dazu noch das sprichwörtliche südliche Temperament…
Mariana betreibt seit Jahren eine Queer-Milonga und ihr geht es darum, die festgefahrenen Rollen im Tango aufzubrechen. Im Queertango zählt also weder das biologische Geschlecht noch die sexuelle Orientierung. Die meisten anderen können demnach beide Rollen – Führende und Folgende – tanzen und wechseln die Rollen häufig. Queertango richtet sich also nicht ausschließlich an Lesben und Schwule, aber erfahrungsgemäß sind sie eher bereit Rollenbilder aufzubrechen. Die Gruppe aus England z.B. besteht überwiegend aus Heteros. Es ist ein schöner Anblick beim Tanzen all die verschiedenen Paare zu sehen: Frauen tanzen mit Frauen, Männer mit Männern, Frauen mit Männern, wobei einmal die Frau und einmal der Mann führt. Übrigens war dies ursprünglich im Tango so üblich, dass es alle Möglichkeiten gegeben hat, erst später ist dieses Macho-Image entstanden.
Augusto betreibt seit 10 Jahren eine gay-Milonga. Er ist ein großartiger Tänzer und ein guter Lehrer und außerdem ein richtiger Schelm. Überhaupt sind die Unterrichtsstunden zwischendurch sehr witzig und in einer lockeren Atmosphäre. Anstrengend genug ist ja eh trotzdem.
Ich (Andrea) habe gerade zum ich weiß nicht wievielten Mal in dieser Woche unsere Tanzschuhe geputzt, damit sie wieder einsatzbereit sind. (Aber ich glaube nach dieser Woche müssen wir sowieso neue kaufen, weil sie durchgetanzt sind.) Heute haben wir nämlich die Abschluss-Milonga des Festivals. Sie beginnt ausnahmsweise schon um 18.00 Uhr, weil Sonntag ist (Gott sei Dank!). Wir sind die ganze Woche nie vor 2.00 oder 3.00 Uhr in der Früh ins Bett gekommen. Wir sind jetzt zwar total müde, aber alle Abende waren großartig. Es waren sehr unterschiedliche Locations, aber alle mit viel Atmosphäre. Einmal waren wir in einem sehr alten Tanzlokal in einem Viertel namens “Barracas”, das, wie der Name verrät, ein armes Viertel von Buenos Aires ist und das andere Mal in der Confiteria Ideal, einem Tanzlokal in der Innenstadt aus der Jahrhundertwende – groß und glamourös. Man fühlte sich zurückversetzt in die 20er- und 30er-Jahre – das war die Blütezeit von Buenos Aires. Es gab auch jeden Abend Tango – Showeinlagen, bei denen wir aus dem Staunen nicht herausgekommen sind. Sie haben uns auch die Vielfalt des Tango-Tanzes gezeigt, denn alle waren etwas ganz Eigenes. Etwas ganz besonderes war die Showeinlage, bei der eine junge Frau mit einem Mann im Rollstuhl getanzt hat. Es war unglaublich schön und mit einer solchen Ausdruckskraft getanzt – wirklich beeindruckend!
Es ist zwar schade, dass das Festival jetzt bald zu Ende ist, aber länger würden wir so ein Programm auch nicht durchhalten. Aber wir konnten auch, wie wir gehofft haben, beim Festival Kontakte für die Weiterarbeit knüpfen. So haben wir z.B. morgen schon von einer Tanzlehrerin ihr Studio fürs Training mieten können, denn zum Trainieren haben wir nach dieser Woche genug.
Liebe Grüße, wir halten euch auf dem Laufenden,
Sigrid und Andrea