Wir wohnen hier an der Costa Versilia ja mehr in den Bergen als am Meer, aber il mare zieht uns immer wieder an wie ein Magnet. Entweder für einen Strandspaziergang am Abend, für einen Nachmittagsausflug zum Schwimmen oder auch für eine Tageswanderung – so sind wir fast täglich am Meer. Und erleben es immer anders, je nach Wetter mal ruhig oder mit hohem Wellengang, je nach Küstenabschnitt mit unterschiedlichen Färbungen.
Die Costa Versilia von Viareggio bis Carrara ist ein schnurgerader Küstenabschnitt von ca. 30 Kilometern mit breitem Sandstrand. Es reiht sich hier ein Bagno mit seinen Schirmen und Liegestühlen an das andere. Im Sommer – auch Anfang September, als wir hier ankamen noch – alle voll, wird es jetzt schon ziemlich ruhig. Ab Mitte September ist eindeutig Nachsaison und einige Bäder haben bereits geschlossen. Jetzt einen Liegestuhl zu bekommen ist jedenfalls kein Problem. So haben auch wir am letzten Wochenende dieser Saison, Ende September, bei feinstem Wetter einen richtig faulen Tag am Strand genossen. Ansonsten haben wir uns zum Schwimmen aber andere Plätze gesucht.
Dieser Küstenabschnitt wird nämlich auf beiden Seiten von zwei völlig unterschiedlichen Naturparadiesen begrenzt. Auf der einen Seite, südlich von Viareggio, gibt es eine ausgedehnte Pineta mit freiem, wildem Strand. Auf der anderen Seite, nördlich von Carrara, mündet der Fluss Magra ins Meer und eine Halbinsel mit Steilküste schließt sich an, bevor der Golfo di La Spezia beginnt. Beides Naturschutzgebiete mit völlig unterschiedlichen Landschaften.
Schon bei der Anfahrt zur Pineta fährt man durch Pinienwald, bevor man bei einem der Zugänge, die hinausführen zum Meer, einen Parkplatz findet. Es gibt ein ausgedehntes Wegenetz und man könnte stundenlang spazieren, wenn man nicht gleich zum Strand möchte. Wir waren zum Schwimmen gekommen, haben also den direkten Weg gewählt, der unter großen, mächtigen Pinien beginnt, bis diese übergehen in Buschwerk und schließlich in eine Dünenlandschaft mit ihrer charakteristischen Vegetation.
Am Strand angekommen, gab es hier weder Sonnenschirme noch Liegestühle. Stattdessen bauen sich die Strandbesucher hier aus Schwemmholz und mitgebrachten Tüchern Sonnenzelte, auch sehr bunt, aber individueller. Der Strand besteht aus feinstem Sand, der einen wieder Kind werden lässt und zum Spielen einlädt. Es ist auch sehr angenehm auf diesem Sand ins Wasser zu gehen, die Wassertemperatur für uns optimal, weil den ganzen Sommer schon aufgewärmt. Schwimmen, sich treiben lassen, mit den Wellen spielen – den Glücksmoment genießen!
Für LiebhaberInnen von Felsküsten hingegen ist der Naturpark Montemarcello auf der anderen Seite eher zu empfehlen. Wir sind hierher zum Wandern gekommen und haben nur einen Schwimmer gemacht. Das nette Städtchen Ameglia auf einer Hügelkuppe am Rande des Magratales, eine kompakte, runde Häuserkrone, war unser Ausgangspunkt. Äußerst gut markierte Wege führen über die Halbinsel, die wir gequert haben, um in Tellaro am Golfo di La Spezia anzukommen. Ein Weg durch verwilderte Olivengärten, teilweise auf den Steinmauern, die für deren Terrassierung errichtet wurden, und Macchia mit Steineichen, Lorbeer, Mastixbäumen … Beim Abstieg dann atemberaubende Ausblicke auf die Felswände der Steilküste, ein türkisblaues Meer und das Bilderbuchdörfchen Tellaro. Es erinnert schon sehr an das nicht ferne Cinque Terre, ist aber nicht so bekannt und deshalb auch nicht so überlaufen.
Wir haben die Mittagsrast in diesem Küstenörtchen genossen mit allem was dazugehört. Zuerst eine Focaccia und dazu den köstlichen, lokalen vino frizzante in einer Bar mit Blick aufs Meer. Danach ein Verdauungsspaziergang durch die engen, verwinkelten Treppengassen. Und schließlich ein Sprung ins kühle Nass. Der Strand hier felsig, eine Leiter erleichtert den Einstieg, das Meer ziemlich bewegt, aber das Schwimmen wieder ein Genuss. Am Weg zurück sehen wir „unsere“ Badebucht schon bald aus der Ferne von oben. Die Sonne glitzert jetzt am Wasser und man kann sich nicht sattsehen am Meer, bevor wir wieder in unser Tal zurückkehren.
Aber es dauert nicht lange, bis es uns wieder anzieht, auch wenn es „nur“ für einen Abendspaziergang am Strand ist, zumindest mit den Füßen im Wasser das Naturschauspiel eines Sonnenuntergangs genießend. Oder wir flanieren auf einem der pontiles, die sie hier in jedem der Orte ins Meer hinaus gebaut haben, il mare entgegen. An deren Ende ist man – außer schwimmend – dem Meer am nächsten. Einmal konnten wir sogar riesengroße Quallen, diese faszinierenden Urlebewesen, beobachten. Zwischendurch hat das Wetter hier umgeschlagen und da standen wir einfach nur draußen, ließen uns den Wind um die Ohren blasen und die gewaltigen Wellen auf uns zu rauschen. Ewig könnte ich so dastehen und das Kommen und Gehen der Wellen beobachten – es ist wie eine Meditation.
Diesen Artikel schreibe ich natürlich am Meer, möglichst nahe, solange es ein heranziehendes Gewitter erlaubt. Eine ganz besondere Stimmung, wenn über dem Meer noch die Sonne scheint und von den Bergen her die dunklen Gewitterwolken aufziehen. Ein Farbenspiel auf dem Wasser von golden glitzernd über türkis bis schwarz. Der Abschied fällt schwer!
Andrea