Momentos de vida cotidiana

Vom ersten Moment an macht es einen Unterschied, ob man sich für eine Woche in einer Stadt aufhält, so wie wir kürzlich in New York, oder für einen Monat. Nicht die Frage nach Sehenswürdigkeiten, interessanten Stadtteilen oder Museen steht dann im Vordergrund, sondern wir streifen durch die Stadt auf der Suche nach gutem Brot (erfolgreich!) oder frischem Gemüse (sehr schwierig!), nach den banalen Dingen wie einer Küchenrolle und den notwendigen wie Trinkwasser. Kurz gesagt, wir richten uns ein in einem täglichen Leben in dieser großen, bunten und verrückten Stadt. Dabei erinnern wir uns an unsere Erfahrungen in den Jahren 2014 – 2016, als wir für unsere Auftritte als Straßenkünstlerinnen immer wieder einen Monat lang an einem Ort waren. Und wie damals merken wir schnell, wie sehr wir diese Art des Reisens lieben, weil das Eintauchen in die jeweilige Stadt viel intensiver ist.

Wir bewegen uns – verglichen mit der Größe dieser Stadt – in einem relativ kleinen Radius. Gerade deshalb nehmen wir scheinbare Kleinigkeiten bewusst wahr: schnell erinnern wir uns daran, dass wir immer auf den Boden schauen und die nächsten paar Meter vor uns im Blick haben müssen, denn nicht selten tut sich mitten am Gehsteig ein ziemlich großes Loch auf oder wir müssen diversem Schmutz wie Hundekot oder undefinierbaren Flüssigkeiten ausweichen. Kurios sind immer wieder die Fahrzeuge, die an uns vorbeifahren: manche Klein-LKWs sind uralt und klapprig, manche Autos haben keine Nummerntafel, weil der Staat kein Geld hat, diese anfertigen zu lassen.

Nicht weniger kurios war das kleine Geschäft für Tanzschuhe mit seinem antiquarischen Ordnungssystem. Doch nachdem die alte Dame mit einem beliebigen Schuh meine Größe herausfand, kam sie sofort mit einem passenden und wunderschönen Modell zurück und ich habe neue Tanzschuhe!

Somit bin ich dort angelangt, was unser tägliches Leben hier am meisten prägt: Tango, Tango, Tango! Von Montag bis Samstag nehmen wir täglich Unterricht, entweder Privatstunden oder Clases. An den Vormittagen wiederholen wir das Gelernte und machen uns Notizen, denn wir wollen ja möglichst viele Impulse mitnehmen für unsere Kurse und Workshops zu Hause. Abends gehen wir immer wieder mal auf eine Milonga, Fixpunkt der Woche ist die Queer-Milonga von Mariana Docampo und Augusto Balizano am Mittwoch.

Am Wochenende treffen wir uns mit Patricia und sie hat immer tolle Ideen und „entführt“ uns an schöne Orte. Zum Beispiel die Tangobar Los Laureles im Viertel Barracas. Seit 1893 wird dort Tango getanzt und wie so oft gab es auch an jenem Abend Livemusik, wir tanzten einige Tangos und es gab Applaus für las chicas de austria.

Dann wieder trafen wir uns in dem gemütlichen Café im Garten eines Museums – ein prachtvoller Bau und ein erholsamer Platz im Grünen.

Auch wir selbst entdecken schöne Orte und da unser Speiseplan nicht ganz so abwechslungsreich sein kann, wie wir es gerne hätten, gönnen wir uns von Zeit zu Zeit ein Essen im Restaurant. Nicht nur sehr köstlich, sondern wunderschön war das Bistro 1745 im Kreuzgang eines Klosters aus ebendiesem Jahr. Auf der Speisekarte wird es un oasis en el medio de la cuidad genannt und genau so haben wir es erlebt.

Erholsame Oasen brauchen wir in unserem Alltag hier, denn das Leben in Buenos Aires ist ziemlich anstrengend – nicht nur, weil wir fleißig lernen und arbeiten, sondern weil diese Stadt mit ihren vielen Menschen, dem Lärm und Gewusel seinen Tribut verlangt und für unser vida cotidiana, unser alltägliches Leben, viel Energie vonnöten ist. Und dennoch genießen wir es, ganz einzutauchen in diesen Alltag, in die vielen schönen Momente, die Buenos Aires uns beschert.

Sigrid

4 Gedanken zu „Momentos de vida cotidiana“

      1. Ihr Lieben,
        vielen Dank dass ihr uns so unmittelbar mitnehmt in euer Abenteuer. Jeder eurer Berichte ist nicht nur miterleben, es erhöht auch die Vorfreude auf das Wiedersehen.
        Herzliche Grüße Gabriele

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