La situación política en Argentina

Aus Buenos Aires zu berichten, ist nicht möglich, ohne auch von der politischen Situation in Argentinien zu schreiben. Es ist eines der Länder, in denen das Pendel der politischen Strömungen sehr stark hin- und herschwingt vom Peronismus zur Militärdiktatur, von konservativen neoliberalen Parteien wieder zurück zum Peronismus.  Nach der letzten peronistischen Regierung hat es vor zwei Jahren mit dem Einzug Javier Mileis in die Casa Rosada (Präsidentensitz) in eine extrem wirtschaftsliberale und als rechts einzustufende Richtung ausgeschlagen. Der Kettensägenpräsident, wie er sich selbst auch gerne nennt, fährt einen rigiden Sparkurs, was auf Kosten von Sozialleistungen und Minderheitenprogrammen geht und die Kluft zwischen Arm und Reich, die hier ohnehin sehr groß ist, noch vergrößert.

Gerade in den letzten Tagen war es hier ziemlich spannend, weil am vergangenen Sonntag die Parlamentswahlen abgehalten wurden. Bis dahin hatte Mileis Partei nur sehr wenige Abgeordnete im Parlament und somit konnten viele seiner Vorhaben nicht umgesetzt werden. Es ging also um die Entscheidung, wie viele Sitze er nun gewinnen würde. Wir haben mitbekommen, dass die Menschen viel diskutiert und große Hoffnung in diese Wahl gesetzt haben.

Aurora ist eigentlich unsere Tanzlehrerin, da sie aber auch eine feministische, kritische und politisch denkende Frau ist, kommen wir mit ihr immer wieder auf die momentane politische Situation zu sprechen. Erstaunlich war, dass sie diese gleich bei unserem Wiedersehen angesprochen und gemeint hat: Es ist eine Katastrophe! Wenn jemand wie Milei an der Macht ist, werden viele Menschen plötzlich konservativ. Tatsächlich ist es so, dass es gesellschaftlich gesehen viele Rückschritte gibt, dass Rechte für Minderheiten wieder in Frage gestellt werden.

Da wir uns hier vor allem in der Queer-Tango-Szene bewegen, bekommen wir mit, wie sehr diese Situation natürlich Thema ist. Mariana etwa, die gemeinsam mit Augusto die Queer-Milonga organisiert, hat ihren Job in der Gleichbehandlungsstelle verloren, weil diese einfach geschlossen wurde. Dann haben wir ein Männerpaar kennengelernt, das ganz bewusst jetzt geheiratet hat, um zu zeigen: hier sind wir und wir sind Teil dieser Gesellschaft. Denn die Regierung versucht beispielsweise die LGTBIQ-Community unsichtbar zu machen.

Politisches Denken und Handeln war und ist auch immer schon mit dem Tango verbunden. So hat uns Aurora auch erzählt, dass es in den 1940er Jahren zum Beispiel eine Veränderung in den Tangotexten gab, die einherging mit einer politischen Änderung. Das war die Zeit als Juan Peron Präsident war. Seine Frau Evita hat sich sehr für das Frauenwahlrecht eingesetzt und da sie großen Einfluss auf ihren Mann hatte, konnte dieses Recht durchgesetzt werden.

Es gab zwar großen Widerstand, aber auch viele Männer waren für diese Bewegung. Dazu gehörten auch solche in der Tangowelt, die das in ihren Texten zum Ausdruck brachten. So wird in einem Tango aus dieser Zeit, Recien von Tanturi y Campos, zwar von einer verflossenen Liebe erzählt, aber der Mann gesteht, dass es an ihm gelegen hat, dass aus dieser Liebe nichts wurde. Das gab es in den Tangotexten davor nicht.

In der Zeit der Militärdiktatur (1976 – 1983) war Tango Argentino verboten, hat nur im Untergrund weitergelebt und war dort wohl auch ein Zeichen des Widerstands, während die zu der Zeit berühmteste Tangopersönlichkeit, nämlich Astor Piazzolla, in seiner Position zu dieser Diktatur eine sehr zweifelhafte Rolle gespielt hat. Aurora meinte, er war ein genialer Musiker, aber in seiner politischen Einstellung katastrophal. Also auch diese andere Seite gibt es im Tango.

Kehren wir zurück in das Hier und Jetzt. Die Parlamentswahlen sind geschlagen und Milei hat trotz gegenteiliger Prognosen gewonnen. Eine Umfrage vor den Wahlen hatte ergeben, dass 40% der Bevölkerung seinen Kurs unterstützen, 60% aber sehr unzufrieden damit sind. Das Ergebnis der Wahlen ist nun ein anderes und Milei hat bereits angekündigt, seinen Sparkurs fortzusetzen, was nun mit der neuen Zusammensetzung des Parlaments noch viel einfacher gehen wird.

Diese politische Entwicklung ist zur Zeit ja in vielen Teilen der Welt zu beobachten. Umso wichtiger ist es mit unserem Handeln, egal wo wir uns befinden, politisch Position zu beziehen, Zeichen zu setzen, auch wenn es nur kleine Gesten sind. Wir tun es hier, indem wir zum Beispiel Hand in Hand an der Casa Rosada vorbei spazieren. Oder indem wir auf einer traditionellen Milonga als Frauenpaar tanzen. Ironischerweise war das am Wahlsonntag in der Avenida de Mayo, das ist die Straße, die den Präsidentenpalast mit dem Parlament verbindet.

Andrea

6 Gedanken zu „La situación política en Argentina“

  1. Liebe Andrea, liebe Sigrid,
    vielen Dank für eure Live-Berichterstattung von der Situation in Buenos Aires nach der Wahl.
    Und ich danke euch auch für euren Mut als Frauenpaar weiterhin Präsenz zu zeigen!!!
    Habt – trotz allem – eine schöne Zeit.
    Ganz liebe Grüße, Renée

    1. Wir haben diesen Mut, weil wir gestärkt sind durch die Menschen, mit denen wir hier in Kontakt sind – durchaus mit dem Wissen, dass wir es leichter haben als sie, denn wir reisen wieder ab.

  2. Danke euch,immer wieder,für eure vielschichtigen und differenzierten Reiseberichte.Es ist so spannend zu lesen was sich tatsächlich vorort so tut. Herzliche Grüße aus Wien Ulli&Helga

    1. Auch für uns ist es extrem spannend. Da wir nicht als Touristinnen hier sind, kommen wir mit den unterschiedlichsten Menschen wirklich ins Gespräch.

  3. Anneliese Heilinger

    So weit weg und dennoch thematisch unserer Welt so nah.
    Auch in Europa neigen sich viele Länder, viele Parteien, manche Gruppierungen deutlich oder leicht nach rechts. Rückwärtsgewandt, das Heil in den alten Werten suchend, die Angst vor dem Verlust des bisher Erreichten … , das betrifft den ökonomischen Status ebenso wie den sozialen. In einer ängstlich, klammernden Haltung gedeihen alte und neu Vorurteile. Die Herrschenden machen sich das zunutze.
    Kleine Schritte, Zeichen und Gesten der Entgegnung machen einiges aus, wenn sie wiederholt werden und/oder viele sie machen.
    Ich schätze mich glücklich zu einer Gruppe von Menschen zu gehören, für die großer aber auch der kleinste Widerstand gegen Ungeheuerlichkeiten von Bedeutung ist, denen Gesten des Mutes wichtig sind.
    In diesem Sinne alles Liebe aus Wien,
    Anneliese

    1. Danke, liebe Anneliese, für deine klaren und deutlichen Worte!
      Ja, viele kleine Gesten haben Wirkkraft und ja, es ist schön, mit dir und anderen Menschen zu erleben, dass wir uns gemeinsam gegen diese Strömungen stellen.
      Grüße aus Buenos Aires, Andrea und Sigrid

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