Graz tanzt den Tanz des Lebens

„Musik und Tanz sind untrennbar miteinander verbunden, und wenn wir heute im Konzert sitzen, halten uns nur Benimmregeln davon ab, uns von Musik nicht davontragen zu lassen in Nicken, Tippen, Wippen, Schaukeln und Schunkeln. Es wäre nur natürlich, sich von den Sitzen zu heben, sich in die Arme zu fallen und aufzumachen in das Wohlgefühl oder die Erregung des Tanzens, denn oft liegt genau darin das wahre Wesen der Musik.“ Mit diesen Worten wird das heurige Thema des Festivals STYRIARTE erläutert. Schon erstaunlich, da es sich doch um ein Festival der klassischen Musik handelt, die gerade diese Konventionen von Musikgenuss hervorgebracht hat. Doch Die steirischen Festspiele haben in den letzten Jahren immer wieder für Überraschungen gesorgt, haben Grenzen ausgelotet und nicht selten auch überschritten.

Gegründet wurde STYRIARTE im Jahr 1985 mit dem Ziel, den damals bereits weltbekannten Dirigenten Nikolaus Harnoncourt stärker an seine Heimatstadt Graz zu binden. Tatsächlich wurden es „seine Festspiele“, in denen er nicht nur seinen Zugang zur Musik, sondern mehr und mehr auch seine Weltsicht einfließen ließ. Seit 1992 stand und steht das Programm jedes Jahr unter einem Thema, das nicht nur die einzelnen Konzerte verbindet, sondern auch zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit eben diesem Thema einlädt. Und dabei weit über das hinausgeht, was man sich üblicherweise unter einem Festival der klassischen Musik vorstellt.

Heuer also ist es der Tanz des Lebens, den STYIARTE sich auf die Fahnen geschrieben hat und das Festival macht sich auf die Suche nach der Verbindung von Musik und Tanz: Wir verknüpfen die Musik mit ihrer tänzerischen Basis, … , wir beleben vergessene Tanztraditionen neu … oder entdecken das Tänzerische in scheinbar strenger Kunstmusik. … Wir tauchen ein in die lebendigen Traditionen der Tänze ganz fremder und entfernter Kulturen. Vor allem aber: Wir bieten Ihnen immer wieder die Möglichkeit, mitzumachen, ob im Geiste oder ganz direkt auf beiden Beinen: Reihen Sie sich ein in den Tanz des Lebens!

Genau das, was hier im Programmheft angekündigt wurde, war die Quintessenz der Eröffnung am letzten Freitag, in der Graz tanzt kein leeres Versprechen war! Unzählige Menschen sind der Einladung zu diesem Event in die Grazer Altstadt gefolgt. Da gab es zum einen in der Schmiedgasse Tanz auf der Straße: Eddie Luis und die Gnadenlosen spielten auf zum Tanz, luden mit ihrer großartigen Interpretation von Tanzmusik ein zum Mittanzen und Abtanzen, zum Zuhören und Zuschauen. Krönender Abschluss dieses Tanzabends auf der Straße war ein Crossover-Tango: Iliyan Donchev und Thessa Hinteregger tanzten Tango Argentino zu Sound of Silence: Einfühlsam, ruhig und tiefsinnig, einfach großartig!

Im Landhaushof gab es eine musikalische Reise rund um die Welt, bei der das Publikum nicht selbst tanzte, sondern sich jenes Nicken und Wippen und Schaukeln in den Reihen der Menschen breitmachte. Eine Schuhplattlergruppe aus Schladming und eine Trommlergruppe aus Ruanda entführten mit kurzen Sessions in ihre je eigene Welt. Unter dem Motto Weltreise mit Stimmband begeisterten die Jugendlichen vom HIB.art.chor und überraschten nicht nur mit einem vielfältigen Programm und stimmlicher Präzession, sondern vor allem mit tollen Choreographien, bei denen die jungen Sängerinnen und Sänger die Musik in Bewegung transformierten und Gesang und Tanz ineinanderfließen konnte. All das gewürzt mit Humor, Lebensfreude und spürbarer Verbundenheit!

Nun, wenn es in Österreich um Musik und Tanz geht, so ist dies scheinbar nicht möglich, ohne einen Wiener Walzer ins Programm zu nehmen. Als Abschluss des Eröffnungsabends wurden alle TeilnehmerInnen eingeladen, am Grazer Hauptplatz den Donauwalzer zu singen und zu tanzen. Unterstützt von mehreren Jugendchören und am Klavier begleitet standen nun unzählige Menschen beisammen, sich im Walzerrhythmus von einem Bein auf das andere wiegend, mehr oder weniger mitsingend und dabei den Blick starr auf das Display ihres Handys gerichtet, auf dem sie den Text mitlasen. Für mich war es eher skurril denn stimmungsvoll und nicht so ganz das, was ich als Höhepunkt des Abends bezeichnen würde. Aber vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, dass der Eröffnungsabend noch nicht alles erfolgreich ausgelotet hat, was die Verbindung von Musik und Tanz zu bieten hat – sonst würde ja niemand an den einzelnen Konzerten und Events teilnehmen wollen. Und das Programm verspricht da noch so manche Überraschungen!

Sigrid

Verwendete Literatur: Programmheft Tanz des Lebens, STYRIARTE 2017

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