Istrien – die meisten von uns denken da zuerst einmal an die Küsten dieser Halbinsel, an das Meer und seine Düfte. Aber auch das Landesinnere ist eine Reise wert und es gibt vieles zu entdecken.
Man wird von einem satten Grün überrascht. Blau ist hier nur der Himmel, anstatt des Meeres reihen sich endlose Hügelketten aneinander, die, je weiter man kommt, umso niedriger und sanfter anmuten. Siedlungen sind hier rar, da und dort ein Kirchturm, ein paar steinerne Häuser, Wälder, Lichtungen, Straßen, Felder … Es scheint als führte die Straße durch eine völlig unbewohnte Landschaft. Und doch sind hier, auf den Hügelrücken, die sich wie Finger von der Erhöhung abspreizen, einige der bezauberndsten Orte Istriens versteckt. Ihr Reiz resultiert aus ihrer Lage und dem unglaublichen Feingefühl ihrer Erbauer für die Harmonie der Proportionen und Materialien…
So beschreibt Lidija KLasic in ihrem Buch Noch 172 Tage bis zum Sommer – eine istrische Reise dieses Land abseits der Küsten. So hat es sich auch uns dargeboten, als wir uns von Piran aus aufmachten nach Opatija. Vom Meer aus schlängeln sich die Straßen hügelaufwärts, führen durch Oliven- und Weingärten, das Meer sieht man von oben nur mehr aus der Ferne und bald schon taucht der erste dieser bezaubernden Orte auf – Buje. Hoch oben an einen steilen Abhang schmiegen sich die Häuser eng aneinander und bilden fast so etwas wie eine Festung aus der nur der Kirchturm herausragt. Beim Weiterfahren entdecken wir dann, dass sich der größere Teil des Ortes auf der anderen, sanft abfallenden Seite des Hügels befindet und sich in die Kulturlandschaft rundum schmiegt.
Wir fahren weiter, immer tiefer ins Landesinnere und gelangen schließlich ins Mirnatal. Ein dicht bewaldetes Flusstal, vor allem Eichen wachsen hier und bilden den Nährboden für eine heiß begehrte Knolle, die Trüffel. Ein verführerischer Duft, wenn ein paar Scheiben dieses Pilzes frisch über Nudeln oder ein Risotto gehobelt werden. Wenn man beim Gedanken daran Hunger bekommt, bietet sich ein Stopp in Motovun an. Auch dieser Ort bildet die Krone eines Hügels, der sich aus dem Mirnatal erhebt. Als wir aus dem Auto aussteigen, empfängt uns zuerst einmal der Duft der Akazien, die gerade in voller Blüte stehen. Eine schmale Gasse, vorbei an schönen, alten Steinhäusern, führt uns hinauf zu einer Loggia mit prächtiger Aussicht und der Stadtmauer. Man kann den Ort auf dieser Mauer umrunden – auf der einen Seite den Blick schweifen lassen in die unberührte Hügellandschaft, auf der anderen Seite Einblicke erhaschen in kleine Gärten und Hinterhöfe der BewohnerInnen dieses Ortes. Im Ort reiht sich ein Lokal an das andere, denn im Sommer kommen hier TouristInnen busweise an, jetzt im Mai ist es zum Glück noch relativ ruhig. Nach einer Stärkung und mit dem Duft von Jasmin in der Nase setzen wir unsere Reise fort.
Wir verlassen das Mirnatal, fahren an Buzet, sicher auch ein sehenswertes, kleines Städtchen, vorbei und gelangen an die Ausläufer des Ucka-Gebirges. Hier lockt uns noch Roc an – eine Perle auf diesem Teil der Halbinsel, den die Geografen wegen der Farbe der Felsen „graues Istrien“ nennen, wiewohl es eigentlich grün ist … Auch Roc ist von einer Stadtmauer umgeben, hat noch gut erhaltene Türme, ein altes Stadttor, geschwungene Gassen mit Häusern, in deren steinerne Fassaden viele ältere Elemente mit Verzierungen und Reliefs eingearbeitet sind. Fragmente früherer Bauten aus der Renaissance oder sogar aus der Römerzeit, wie man sie in Istrien immer wieder antrifft. Ein verschlafener Ort an diesem Sonntagmittag im Mai. Die EinwohnerInnen stehen nach der Messe am Kirchplatz zusammen. Im einzigen Lokal des Ortes wartet die Kellnerin auf Besuch. Ein Steinmetz verlässt gerade seine Werkstatt. Eine kleine Katze auf einer Fensterbank lugt hinter einem Blumentopf hervor. Wir kommen uns hier ein bisschen wie Eindringlinge in die Sonntagsruhe vor. So verlassen wir den Ort, nehmen eine Nase voll Irisduft mit und fahren bergwärts, hinauf auf den Ucka.
Die Vegetation ändert sich rasch, hat nichts Mediterranes mehr. Wir entdecken Frostschäden an den Buchen und Kastanien und erfahren nachher, dass es auch hier noch Ende April Frost gegeben hat. Je höher hinauf wir kommen, umso dichter wird der Nebel. Denn hier oben stauen sich gerne die Wolken und man glaubt nicht, dass das Meer nur mehr wenige Kilometer entfernt ist. Aber als wir den Poklon-Pass erreichen ist es soweit, die Kvarner Bucht liegt uns zu Füßen. Das Meer hat uns wieder!
Andrea
Verwendete Literatur: Lidija Klasic, Noch 172 Tage bis zum Sommer, eine istrische Reise, Folio Verlag
ach ist das schön mit euch ein bissi mitzureisen. war vorigen sommer in istrien und auch in motovun. es war sooo schön. lieben gruß! martina
Danke, dass du, liebe Martina, dir immer wieder die Zeit für nette Kommentare nimmst. Sie beflügeln uns gleich aufs Neue zum Schreiben …