TAGSÜBER VON GRAZ NACH PARIS
Die erste Nachtzugreise, die Veronika Wengert und Jörg Dauschert in ihrem Buch präsentieren, führt von Wien nach Paris. Dreimal wöchentlich wird diese Verbindung angeboten – wenn alles nach Plan geht. Aufgrund von Baustellen rund um Paris fährt dieser Nachtzug derzeit teilweise nur bis Strasbourg, und so machte ich mich auf die Suche nach Alternativen. Not macht ja bekanntlich erfinderisch und die Variante, die ich entdeckt habe, war in mehrfacher Hinsicht genial.
Ich erinnerte mich an den Direktzug von Graz nach Saarbrücken, betrachtete den Streckenverlauf und fand heraus, dass die Fahrzeit Graz – Stuttgart nur 8 Stunden dauert. Dass wir dabei einerseits mit einer Zuggarnitur der ÖBB unterwegs waren (und nicht mit einem ICE der DB, die leider häufig ausfallen) und dass wir nicht umsteigen mussten, war ideal. Vor allem bei Reisen in oder durch Deutschland ist ja das Umsteigen sehr heikel, da es häufig zu beträchtlichen Verspätungen kommt und der Anschlusszug nicht erreicht wird.
Hier also gleich 3 Tipps, die sich auf dieser Reise bewährt haben:
1. Mit Zügen der ÖBB reisen, diese sind verlässlicher.
2. Eine Strecke mit möglichst wenigen Umstiegen, im Idealfall sogar Direktverbindungen wählen!
3. Mit einem Kund*innenkonto sowohl bei der ÖBB als auch der DB kann man sehr einfach die Preise vergleichen. Ein und derselbe Zug kostet nämlich nicht überall gleichviel! Und die oft beklagte Schwierigkeit, länderübergreifende Tickets zu kaufen, ließ sich so ebenfalls gut umgehen, denn die DB verkauft das Ticket Stuttgart – Paris.
Nun, wir haben mittags in Graz einen Eurocity bestiegen und sind nach einer schönen Reise durch die Alpen und Süddeutschland kurz nach 20.00 Uhr, nur mit zehn Minuten Verspätung, in Stuttgart angekommen. Dort hatten wir direkt am Bahnhof im Motel One ein Zimmer reserviert. Wir übernachten auf unseren privaten und beruflichen Reisen gerne in einem der Motels One, die es in den meisten Städten Deutschlands und in vielen anderen europäischen Städten gibt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist für uns stimmig (auf der Durchreise genügt uns das kleinste Zimmer), das Design ansprechend und die Betten sehr gut. Am Abend konnten wir uns bei einem Spaziergang die Füße vertreten und einen kurzen Eindruck von Stuttgart gewinnen.
Am nächsten Morgen kehrten wir gut ausgeruht zurück auf den Bahnhof – die ewige Baustelle des Stuttgarter Bahnhofs ist eine Sehenswürdigkeit für sich! – um einen TGV zu besteigen, der uns direkt nach Paris brachte. Schon auf dem deutschen Streckenabschnitt war die Reise komfortabel, richtig faszinierend wurde es aber ab Strasbourg: mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 300 km/h gleitet dieser Zug sanft durch Ostfrankreich und erreicht in knapp 2 Stunden Paris. Im oberen Stockwerk sitzend fühlten wir uns wie auf einem Logenplatz und konnten uns nicht sattsehen an der wunderschönen Landschaft, den kleinen Dörfern mit ihren alten Steinhäusern und den Bergen oder Hügeln in der Ferne. Dieser Zug fährt ruhig und geschmeidig, fast schwebend, sodass man die Geschwindigkeit überhaupt nicht wahrnimmt – außer, wenn ein Gegenzug vorbeirauscht.
Eine Zugfahrt, die wieder einmal bestätigt, dass es beim Reisen nicht nur darum geht, von A nach B zu kommen. Es waren außergewöhnliche Stunden – mit der Vorfreude auf die Rückfahrt, die wir auf die gleiche Weise geplant hatten. Und damit komme ich zum Abschluss nochmals auf das Buch Nachtzugreisen – die schönsten Strecken Europas zu sprechen: beim ersten Durchblättern schon dachte ich mir, wie schön diese Strecken sind, eigentlich zu schön, um sie in der Nacht zu befahren.
Es gibt also mehrere Gründe, manchmal nicht den Nachtzug zu wählen, sondern tagsüber zu reisen: die Kosten für die beiden Tageszüge plus Übernachtung im Hotel waren gleich wie die Reise im Schlafwagen. Aber wir haben viel Schönes gesehen, im Hotel schläft es sich doch nochmals besser als auf Schienen und wir sind nur 2 Stunden später in Paris angekommen. Voilá!
Sigrid
Verwendete Literatur:
Veronika Wengert, Jörg Dauscher, Nachtzugreisen, Die schönsten Strecken Europas, Neuss 2022
Danke für die wunderbare Anregung und den Buchtip!
Sehr gerne, das Buch ist wirklich sehr zu empfehlen – mit dem Hinweis: Achtung, es macht Lust zu reisen!