Der Tango ist heute auf der ganzen Welt zu Hause und in beinah jeder mittelgroßen Stadt in Europa gibt es Tangoclubs, Tangoveranstaltungen, Tangobegeisterte. So auch in Graz, wo an mehreren Abenden jeder Woche an diesem oder jenem Ort Tango getanzt wird – veranstaltet von mehreren Vereinen oder Tanzschulen. Dass es aber in einer Stadt wie Graz auch ein Tangoorchester gibt ist schon außergewöhnlich!
Seit zweieinhalb Jahren gibt es das Tango Orchester Graz. Es sind großteils LaienmusikerInnen, die sich nach einem Tangofestival entschlossen haben, weiterhin gemeinsam Tangomusik zu machen. Der Kern besteht aus sechs Personen, die regelmäßig gemeinsam musizieren und zu denen je nach zeitlicher Möglichkeit andere hinzukommen. Spannend ist auch, dass die Mitglieder aus ganz verschiedenen Lebensbereichen kommen: junge Leute, die noch studieren, musizieren gemeinsam mit anderen, die bereits in Pension sind. Die Leidenschaft für die Tangomusik verbindet sie und diese Leidenschaft ist bei jedem Auftritt spürbar. Gemeinsam arbeiten sie auch regelmäßig mit einem Profi, der Musikstücke für ihre Besetzung arrangiert und diese mit ihnen erarbeitet. Einige der Mitglieder tanzen selbst schon lange Tango und so war es von Anfang an das Ziel des Orchesters, auf Milongas zu spielen und uns TänzerInnen somit in den Genuss von Livemusik kommen zu lassen. Andere Mitglieder sind durch die Musik – und vielleicht auch durch die Atmosphäre auf einer Milonga und das Zuschauen – sozusagen auf den Tangogeschmack gekommen und haben nun begonnen, das Tangotanzen zu lernen. Das erinnert mich an eine Rückmeldung, die wir kürzlich nach einem Solo Tango Workshop von einer Teilnehmerin, die ebenfalls Musikerin ist, bekommen haben. Sie meinte, dass sie, seitdem sie Solo Tango getanzt hat, das Spielen eines Tangos ganz anders und viel intensiver erlebt. Musik und Tanz sind beim Tango Argentino also schon sehr eng verwoben.
Für mich als Tangotänzerin ist es immer ein ganz besonderes Tanzerlebnis, wenn es Livemusik gibt. Gerade beim Tango Orchester Graz ist die Verbindung, die sich zwischen den MusikerInnen und den TänzerInnen entwickelt, enorm stark spürbar und die Energie überträgt sich von einer Seite auf die andere. Als wir das Tango Orchester erstmals erlebt haben, hatten sich die MusikerInnen nicht, wie allgemein üblich, auf einer Seite der Tanzfläche aufgestellt, sondern sie hatten sich in der Mitte postiert. Auf einer Milonga wird ja die Tanzrichtung sehr streng eingehalten und alle Paare bewegen sich in einem Kreis gegen den Uhrzeigersinn. Und an jenem Abend tanzten wir buchstäblich um die Musik herum! Es war unbeschreiblich faszinierend! Je nach unserer Position war einmal dieses, dann jenes Instrument im Vordergrund und wurde damit auch das Leitinstrument für die Interpretation der Musik. Ich hatte damals das Gefühl, dass wir – die Tanzenden und die Musizierenden – uns gegenseitig inspiriert haben und gemeinsam etwas Unbeschreibliches entstehen konnte.
Nun, vor kurzem hatten wir wieder das Vergnügen zu den Klängen dieses Orchesters zu tanzen. Wie immer haben sie uns mit ihrer individuellen Art, mit der sie bekannte Tangos interpretieren, begeistert. Und wie immer haben wir uns schon sehr auf jene Tanda gefreut, bei der die Valses erklingen. Vielleicht liegt der Walzerrhythmus uns ÖsterreicherInnen wirklich im Blut, ich weiß es nicht. Aber die Art und Weise, wie das Tango Orchester Graz Valses interpretiert ist einfach großartig. Der Rhythmus fließt, die Beine, ja der ganze Körper findet wie von selbst in diese wiegende Bewegung und wird von der Musik durch den Raum getragen. Beinahe unwirklich und unbeschreiblich schön!
An jenem Abend gab es, wie einigen vielleicht auf den Fotos aufgefallen ist, einen Gast im Tango Orchester Graz: Eddie Luis, ein Grazer Musiker, der nicht nur im Jazz und im Tango zu Hause ist, sondern all dies gleich auf mehreren Instrumenten beherrscht, ist eingesprungen, weil der Kontrabassist verhindert war. Für uns war es eine große Freude ihn hier wiederzusehen, denn da er auch mit Schauspiel, Pantomime und Clownerie arbeitet, hatten wir im letzten Jahr beim ihm einige Stunden Schauspielcoaching genommen. Und nun erzählt er, dass die Arbeit mit uns ihn wiederum ein Stück näher zum Tango gebracht hat. Da ist sie also wieder, die Energie, die uns KünstlerInnen verbindet und die hin und her fließt, um uns alle zu bereichern.
Sigrid
Hat dies auf zeitdiagnosen rebloggt und kommentierte:
Selbst nun schon seit vielen Jahren begeisterter Tangotänzer, spricht mir dieser Text aus dem Herzen. Um so mehr, als er auf „esoterisches Gefasel“, wie es bedauerlicherweise sonst oft in Zusammenhang mit dem Tango Argentino zu lesen ist, gänzlich verzichtet. Ein Text, der Wert ist, gelesen zu werden.
Vielen Dank fürs rebloggen! Schön, dass der Tango uns verbindet.