… a way of living tango.
Führen und Folgen – die beiden Parts des Tango Argentino erscheinen auf den ersten Blick als sehr gegensätzlich. Der eine Teil gibt den Takt vor, kreiert den Tanz, trägt die Verantwortung, … und der andere Teil geht mit, setzt die Impulse um und lässt sich fallen. Jeweils Kompetenzen die wichtig sind, aber wenn man es darauf beschränkt, ist man sehr schnell bei der Zuordnung von männlich und weiblich und beim Klischeebild dieses Tanzes. Nachdem Tango Argentino ein Improvisationstanz ist und auf einer Kommunikationsgrundlage beruht, liegt hier auch die Chance, ihn für mehr Möglichkeiten zu öffnen.
Ich selbst habe viele Jahre lang zunächst nur die folgende Rolle getanzt und mich gesträubt das Führen zu erlernen. Einerseits weil es wahrscheinlich meiner Persönlichkeit mehr entspricht, andererseits erschien mir das Führen schwierig und anstrengend, und drittens wollte ich ungern auf High heels verzichten. Um bequem führen zu können, braucht es nämlich flache Schuhe. Je mehr wir, Sigrid und ich, uns jedoch mit dieser Thematik beschäftigten und festgelegte Zuschreibungen hinterfragten, umso größer wurde auch die Neugierde auf die andere Rolle.
Wir waren ja auch in den zunächst festgelegten Rollen darauf bedacht, dass unser Tanz ein gleichberechtigter Dialog ist. Dass die Interaktion zwischen beiden Rollen eine „Zusammenarbeit“ mit geteilter Verantwortung z. B. für Umarmung, Musik und Dynamik ist. Und ich merkte als Folgende: je aktiver ich mich am Tanz beteiligte, umso glücklicher fühlten sich die Führenden, zumindest die meisten. Dieses Verschmelzen des Gebens und Nehmens und somit das Verwischen der klaren Grenze von folgen und führen, war für uns schon eine wichtige und schöne Entwicklung in unserem Tanz. Schließlich kamen wir an den Punkt, an dem sich das Erlernen der anderen Rolle wie von selbst ergab und somit einen noch größeren Raum an Möglichkeiten eröffnete.
Wenn es auch anfangs zeitweise mühsam war, muss ich jetzt sagen, dass es ein riesiger Gewinn ist, beide Rollen zu tanzen. Am Führen mag ich die Kreativität und dabei zu spüren, wie mein musikalischer Ausdruck den Weg durch den Körper meines Gegenübers nimmt, sodass es mir vorkommt, als würde ein Körper tanzen. Auch zu spüren, dass die andere Person mir vertraut und den Tanz genießt. Führen fühlt sich auf einer Ebene anders an als folgen, aber auf einer tieferen Ebene auch sehr ähnlich: die Nähe, die Konversation, die Momente der Stille, die Verletzlichkeit, die Fehler, die Freude, das Hier und Jetzt.
Aber auch mein Folgen hat sich dadurch noch einmal verändert, ist irgendwie reicher an Ausdruck geworden. Manche Facetten des Führens blitzen nun in meinem Folgen auf und umgekehrt. Dieses Überschreiten von Grenzen ist etwas unglaublich Spannendes. Und wenn das dann noch in einem fließenden Wechsel der Rollen während eines Tanzes gelingt, wähne ich mich im Tangoparadies.
Als ich, Sigrid, begonnen habe als Folgende zu tanzen wurde mir schnell klar, dass die wirklich größte Veränderung in meinem Kopf passieren muss. Jahrelang war ich gewohnt in der Rolle der Führenden vorauszudenken, die Musik aufzunehmen und Impulse zu geben, um sie in Bewegungen zu transformieren. Nun war nicht mein Denken, sondern das Spüren, das Wahrnehmen der Impulse gefragt und es kam mir vor wie ein Paradigmenwechsel, der mir anfangs nicht leicht gefallen ist. Doch schon bald verspürte ich eine große Befreiung und erlebe nun den Tanz ganz neu: in meiner Ausgestaltung der Impulse, der Konzentration auf die Verbindung zur führenden Person und in der spielerischen Freiheit im Umsetzen meiner Bewegungen. Ich genieße es mittlerweile sehr als Folgende zu tanzen, die Augen zu schließen und mich – auf diese andere Weise – ganz einzulassen auf die Musik und mein Gegenüber. Wann immer wir während eines Tanzes die Rollen wechseln, erlebe ich diesen Transformationspunkt im Kopf von neuem, denn wenn das Führen oder das Folgen im Kopf realisiert wurde, vollzieht sich der Wechsel im ganzen Körper fast wie von selbst – eigentlich unglaublich und einfach faszinierend!
Andrea und Sigrid
Ihr Lieben,
Das ist ein sehr schöner Blogpost, beide Texte und der Inhalt berühren mich tief. Sehr schön umgesetzt habt ihr den Wechsel zwischen Führen und Folgen in der Matinee von Tango goes Church. Da habt ihr auch die Intimität spüren lassen, die dabei ensteht. Tango Kommunikation, ein Tango Gespräch im wahrsten und besten Sinne. Dabei ist etwas Neues, etwas Berührendes entstanden. Mich hat euer Tanz dort befreit. Danke und auf bald, Gudrun
Liebe Gudrun, wie schön, wenn die Texte dich angesprochen haben.
Und wie schön, dass unser Tanz im Wechsel der Rollen bei der Matinee so viel in Bewegung gebracht hat … danke für dieses ganz besondere Feedback! Andrea & Sigrid
größte Bewunderung
Herzlichen Dank!
Das klingt alles wunderschön. Liebe Grüße, Gabi
… ist es auch 🙂 !!!
Liebe Grüße, Andrea und Sigrid