Wieder einmal konnten wir das Unterwegssein für einen Workshop mit dem Reisen verbinden, auch wenn es diesmal nur zwei Tage nach Wien gewesen sind. War der Samstag noch ein intensiver Arbeitstag mit einer Privatstunde und einem Workshop für 12 Frauen in einem Frauenwohnprojekt in der Donaustadt, so haben wir es genossen, uns am Sonntag Vormittag durch die Wiener Innenstadt treiben zu lassen. Leider zeigte sich bald, dass dies wörtlich zu nehmen war – der Winter war ja zurückgekehrt und in Wien bedeutet das, dass ein kalter Wind durch die Gassen fegt. So landeten wir schon bald in einem Kaffeehaus und beschlossen, den Rest des Vormittags dort zu verbringen. Das Diglas in der Wollzeile ist eines der alten Wiener Kaffehäuser mit roten Samtbezügen, Spiegelwänden und Kristallleuchtern – sehr einladend, um mit einem Einspänner, einem Kipferl und einer Zeitung die Zeit verfliegen zu lassen!
Aber so ganz zeitlos waren wir doch nicht an diesem freien Tag in Wien, denn wir hatten eine ganz besondere Einladung zum Mittagessen. Seit vielen Jahren verbindet uns eine Freundschaft mit Cynthia und John, beide aus Australien und schon seit Jahrzehnten in Wien lebend. Cynthia ist Geigerin und spielt Barockmusik mit großer Leidenschaft. John war als Jurist für Völkerrecht bis zu seiner Pension an der UNO-City tätig. Die beiden sind Kosmopoliten wie sie im Buche stehen: weltoffen, humorvoll, interessiert und ständig unterwegs. Sie leben in Wien der Kunst wegen, besuchen viele Konzerte, haben hier einen internationalen Kreis aus Freundinnen und Freunden. Und sie haben seit 20 Jahren ein Haus in der Toskana, ein offenes Haus, indem auch wir schon zu Gast sein durften. Unsere Liebe zur Toskana verbindet uns seit Jahren und als wir von unserem Haus in Italien geträumt hatten, waren die beiden für uns sehr wichtige WegbegleiterInnen.
Nun, ihre Liebe zu Italien zeigt sich natürlich bei Tisch! Wir waren, wie Cynthia es ausdrückte, zu einem „kleinen Mittagessen“ geladen und fanden uns in La dolce vita wieder. Da wir uns lange Zeit nicht gesehen hatten und es in der Zwischenzeit einen feierlichen Anlass gab, öffnete John als Auftakt eine Flasche Champagner. Dazu gab es kleine Häppchen und wir begannen zu plaudern. Wie immer ist dies mit den beiden sehr anregend, sie erzählten von ihren Reisen, ihren FreundInnen aus ganz Europa, ihren BesucherInnen aus der ganzen Welt. Dann gingen wir zu Tisch, es gab zuerst eine köstliche Karotten-Orangensuppe, dann ein Hühnerrisotto, dazu einen vorzüglichen österreichischen Weißwein, Salat, Käse und zum Schluss Süßes – Sacherwürfel und Linzertorte aus der K.u.K Hofzuckerbäckerei Heiner, ebenfalls in der Wollzeile – willkommen in Wien!!! Die Zeit flog dahin, ganz in italienischer Tradition, in der ein sonntägliches Mittagessen bis weit in den Nachmittag hinein dauert. Natürlich folgte noch ein schöner Espresso und als Abschluss, wie könnte es anders sein, ein Vin Santo aus der Toskana: eine schlichte Flasche mit einem handgeschriebenen Aufkleber enthielt diesen köstlichen Dessertwein – hausgemacht von Fausto, dem Maurer, der ihr Haus in Italien renoviert hatte und natürlich auch längst ihr Freund geworden war. Welch ein Genuss! Und seit vielen Jahren erlebten wir gemeinsam wieder einmal diese wunderbare Kombination aus einer alten Freundschaft, an die man sofort anknüpfen kann, angenehmen Gesprächen, köstlichem Essen und diesem Gefühl, dass die Zeit stillsteht, um den Augenblick zu genießen, kurz: La dolce vita!
Leider mussten wir dann doch einen Blick auf die Uhr werfen, denn auch wenn der Sonntag bis dahin für uns ein freier Tag war, wartete abends im Südburgenland noch ein Übungsabend auf uns. So wurde das kleine Mittagessen schon nach vier Stunden beendet …
Wir fuhren nach Hause, reich beschenkt und beglückt von diesem Wochenende in Wien. Wie so oft sind Arbeit und Freizeit ineinander geflossen und das Schöne ist, dass wir beides so sehr genießen können! Den Tango weiterzugeben in einem Workshop und einer Privatstunde, wunderbare Begegnungen zu haben, an schöne Orte zu kommen, köstliches Essen zu genießen – was sollten wir uns sonst noch wünschen?
Sigrid