Am letzten Wochenende haben wir wieder einmal Berliner Großstadtluft geschnuppert. Unter der Regie von Evelyn Bader, die das Frauenreisebüro WomenFairTravel führt und zu einem Reiseleiterinnentreffen geladen hatte, konnten wir eintauchen in ein Berlin der Frauen.
Wenn man in der Geschichte zurück geht, gab es ja in den 1920er und 30er Jahren, auch die wilden Jahre in Berlin genannt, schon ganz viel Frauenpower. Frauen wie Marlene Dietrich, Else Lasker-Schüler, Claire Waldoff, Leni Riefenstahl, Anita Berber, Erika Mann und viele mehr gaben Berlin sein unvergleichliches Gesicht und prägten Kunst und Kultur dieser Stadt. Sie alle trafen sich in den zahlreichen Cafés, literarischen Salons, Cabaréts, im Tanzsaal und sogar im Boxring. Selbstbewusst und lebenshungrig stürmten sie die letzten Männerdomänen und verfolgten unbeirrbar ihre künstlerischen Ziele. Abseits der gängigen Pfade schrieben sie ihr eigenes Stück Kulturgeschichte. Nachzulesen ist diese äußerst interessante Klatsch- und Kulturgeschichte der Frauen, die leider mit dem Beginn der Naziherrschaft ihr jähes Ende fand, in Die wilden Jahre in Berlin von Birgit Haustedt.
Etwas von dieser Energie und diesem Flair meinte ich das vergangene Wochenende in Berlin erlebt zu haben. Es begann schon damit, dass wir nach einer Nacht im Zug von Evelyn zum Frühstück geladen waren – ins Lili Marleen in der Crellestraße. Da saßen wir vier Frauen, auch Amelie von WomenFairTravel war dabei, in einem alten, gemütlichen Café bei einem opulenten Frühstück, das auch gleich als Mittagessen reichte und verbanden das Angenehme mit dem Nützlichen, indem wir gleich ein erstes Arbeitsgespräch führten. Danach flanierten wir durch die sehr nette Akazienstraße mit unzähligen kleinen Läden und Lokalen, in denen es viel Schönes und Kreatives zu entdecken gibt. Diese Straße liegt ebenso wie Evelyns Büro oder das Lili Marleen im Bezirk Schöneberg. Auch die Privatunterkunft, die Evelyn für uns organisiert hatte, war in diesem Bezirk. Eine große, wunderschöne Berliner Altbauwohnung empfing uns, zunächst ohne unsere Gastgeberinnen, die bei unserem Eintreffen noch beruflich unterwegs waren. Die eine als Architektin in Berlin, die andere als Beraterin für einen internationalen Konzern kam erst in der Nacht aus Genf. Mit ihnen beiden und ihrem Dackel Moritz genossen wir den Aufenthalt in dieser Wohnung dann gleich noch mehr.
Der ganze Samstag stand dann im Zeichen von WomenFairTravel. An die 20 Reiseleiterinnen kamen zusammen aus nah und fern. Es ging ans Kennenlernen, Erzählen, Austauschen, … . So viele interessante Geschichten und Persönlichkeiten, Frauen, die jeweils ihren Weg gingen, so unterschiedlich, aber immer beeindruckend, traten zu Tage. Auch Reflektion, Information und Weiterbildung gab es mit der Touristikberaterin Wibke Rissling-Erdbrügge. Und am Abend dann wurde gefeiert, mit Sekt, einem wunderbaren Buffet, Musik und Tanz. Evelyn hatte diesen Tag so umsichtig, liebevoll und professionell gestaltet, wie sie auch ihr Unternehmen führt.
Auch für den Sonntag hatte sie dann noch ein gemeinsames Kulturprogramm organisiert, nämlich einen Besuch des verborgenen Museums in Charlottenburg. Das verborgene Museum hat sich die Dokumentation der Kunst von Frauen zur Aufgabe gemacht, Künstlerinnen, die in Vergessenheit geraten sind, wieder ans Licht zu holen. Die laufende Ausstellung, die wir sahen, zeigte die Werke zweier Fotografinnen, Gerti Deutsch und Jeanne Mandello. Und da sind wir wieder angekommen in den wilden Jahren, denn beide waren in den 1920er und 30er Jahren erfolgreiche Fotografinnen mit eigenen Ateliers, mussten als Jüdinnen dann 1936 aus Wien bzw. 1934 aus Frankfurt fliehen. Vieles von ihrem Werk ging dabei verloren, manches konnte nach mühevoller Recherchearbeit wieder entdeckt und nun erstmals hier gezeigt werden, wie uns die Kuratorin der Ausstellung erzählte. Für alle, die an Kunst von Frauen interessiert sind, ist dieses Museum jedenfalls ein Geheimtipp.
Nach diesem interessanten Museumsbesuch konnten wir uns noch nicht so schnell verabschieden, und die Berlinerinnen unter uns wussten gleich ein nettes Café in der Nähe, wo wir unser Treffen gemütlich ausklingen lassen konnten. Das Kantcafé, in gleichnamiger Straße gelegen, bot den passenden Rahmen dafür. Nach den Umarmungen und Küssen zum Abschied schlenderten wir noch, voll mit vielen schönen Eindrücken und Begegnungen, über den Kurfürstendamm zurück in die Wohnung unserer Gastgeberinnen. Nochmals Herzen und Küssen und dann Aufbruch zum Bahnhof – ein wunderschönes Wochenende in Berlin war zu Ende. Aber wir kommen wieder!
Andrea
Wenn man diesen Beitrag liest setzt augenblicklich das Reisefieber ein! Schönes Wochenende noch! Glg. Martina
… aber das ist ja ein äußerst angenehmer Virus, oder?