Wenn man sich in die Welt des Tango Argentino vertieft, ist natürlich auch seine Geschichte von Bedeutung. Wie ist dieser Tanz entstanden, was sind seine Wurzeln?
Die Geburt des Tangos gibt auch heute noch viele Rätsel auf und in manchen Punkten Uneinigkeiten. Einig ist man sich, was den Zeitpunkt seiner Entstehung betrifft. Die Anfänge des Tango Argentino waren in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Ob sein Ursprung jedoch in Buenos Aires oder in Montevideo liegt, darüber streiten sich die Geister. Heutzutage assoziiert man Tango Argentino sofort mit Buenos Aires, er dürfte aber an beiden Ufern des Rio de la Plata entstanden sein und wurde deshalb auch als Ufermusik bezeichnet.
In beiden Ländern, sowohl Argentinien als auch Uruguay, gab es zu der Zeit eine große Zahl von europäischen Immigranten, die hier den Traum vom besseren Leben verwirklichen wollten. Sehr aktuell, wenn man an die Menschen denkt, die zurzeit bei uns Zuflucht suchen. Damals waren es europäische Wirtschaftsflüchtlinge, sechs Millionen Menschen kamen und mehr als die Hälfte blieb für immer. Buenos Aires war also bald von alleinstehenden Männern überbevölkert und die ärmeren Schichten ließen sich in den Außenbezirken von Buenos Aires nieder. Und in diesem Milieu entstand der Tango – im Armenmilieu, im verbotenen Milieu der Bordelle. Für die gehobene Schicht der damaligen Zeit in Buenos Aires war „Tango“ ein unflätiges Wort. Sie verbanden damit eine niedere Form der Musik, die die Außenseiter der Gesellschaft repräsentierte. Eine interessante Tatsache wenn man bedenkt, dass Tango bei uns heute eher in der gehobenen, intellektuellen Schicht getanzt wird. Aber zurück zu seinen Ursprüngen. Da gibt es, was seine Entstehung betrifft auch ziemlich radikale Aussagen, wie: der Ursprung des Tangos ist schwul und schwarz.
Der oben erwähnte Frauenmangel führte die Männer zusammen. Sie trafen sich in Kneipen und Bordellen, sangen und tanzten Tango. „Tango hat die herkömmliche weiße Männerrolle unterminiert, der Mann wird weiblich, indem er jammert und schluchzt“, lässt der Autor Wolfram Fleischhauer eine seiner Protagonistinnen im Roman Drei Minuten mit der Wirklichkeit sagen. Männer, die miteinander Tango tanzten, waren um diese Zeit also kein ungewöhnliches Bild in Buenos Aires.
Das ist auch einer der Hintergründe für unsere wo/men tango acts, in denen wir als Herrendarstellerinnen auftreten.
Was hat nun aber Tango mit den Schwarzen zu tun? Unter den vielen Bewohnern von Buenos Aires und Montevideo gab es auch eine schwarze Bevölkerung, die ursprünglich als Sklaven auf den Kontinent kam. Sie durchmischten sich mit der europäischen Bevölkerung, bzw. unzählige verschwanden – in Kriegen und auf Plantagen verschlissen. Sie waren aber für diese neu aufkeimende Musik wesentlich. Das Wort Tango soll aus dem Äthiopischen kommen. Tangú bezeichnet einen bestimmten Rhythmus, der in der Candombe, einer schwarzen Musik mit schnellen, heiteren Rhythmen, vorkommt. Und auch die älteste überlieferte Zeichnung eines Tango tanzenden Paares zeigt zwei Schwarze. Mit der Zeit kam es zu einer Fusion der europäischen und afrikanischen Musik. Verschiedene volkstümliche Musikstile, die Habanera aus Kuba, die Candombe aus Afrika, die Land-Milonga aus Spanien und der Walzer verschmolzen zu der Musik, die wir heute Tango nennen.
Außerdem kam zu dieser Zeit auch eine neue Tanzmode auf, nämlich der Volkstanz, bei dem es ebenso zu einer Vermischung von Gesellschaftstanz und schwarzem Tanz kam. Es entstanden neue Tanzzentren, in denen sich die Tanzpaare im Tangorhythmus wiegten. Anfangs wurde dieser Tanz noch mit größerem Abstand getanzt und man imitierte die schwungvollen Bewegungen der Candombe. Mit der Verbreitung des Tangos bis nach Europa, in der Modestadt Paris wurde er Anfang des 20. Jahrhunderts schnell modern, verschwanden die afrikanischen Wurzeln immer mehr und man ist sich heute dessen kaum noch bewusst.
Abschließend kann jedoch gesagt werden, dass die Entstehung des Tangos eine gemeinschaftliche Schöpfung der Portenos, der Hafenbewohner unterschiedlicher Kulturen, dies- und jenseits des Rio de la Plata, war.
Andrea
Verwendete Literatur:
Tango, Eduardo Araníbar, HEEL Verlag, 2008
Drei Minuten mit der Wirklichkeit, Wolfram Fleischhauer, Knaur Verlag, 2002