Hola mis queridos,
irgendwie ist es immer schwierig auszuwählen, von welchen Eindrücken und Erlebnissen ich berichten soll, denn es gäbe so vieles zu erzählen, dass unser Bericht unendlich lang würde.
Nun, zuerst einmal sind wir gut ins neue Jahr gerutscht. Wir haben uns mit Nestor, Patricia, deren Schwester Estrela, ihrem Mann und ihrer Tochter Sonja in einem Lokal in Palermo getroffen. Palermo ist ein Barrio (Stadtviertel) von Buenos Aires, das mehr an den Prenzlauer Berg von Berlin als an das Palermo Siziliens erinnert. Am Silvesterabend war die Straße, in der das Lokal liegt, für Autos gesperrt und stattdessen wurden dort die Tische aufgestellt. Es herrschte eine angenehme, entspannte Stimmung und es war ein lauer Sommerabend. Das angebotene Silvestermenu war ausgezeichnet. Das erste Mal, dass wir in dieser Stadt in einem Lokal wirklich sehr gut gegessen haben, bisher waren wir von der argentinischen Küche eher enttäuscht. Um Mitternacht wurde Sekt ausgeschenkt und mit einem “Feliz ano” auf das neue Jahr angestoßen.
Danach ging die Party los. Es wurden alle möglichen “Faschingsartikel” wie Hüte, bunte Kränze, leuchtende Reifen, etc. verteilt, alle haben sich damit geschmückt und dann wurde auf der Straße getanzt, nicht Tango und auch nicht Walzer (wir haben noch zu Hause in unsrer Wohnung, als es in Österreich Mitternacht war, übers Internet den Donauwalzer empfangen können und dazu getanzt), sondern wie in der Disco zu ganz populären argentinischen Songs, bei denen auch alle mitgesungen haben. Die Stimmung wurde ziemlich ausgelassen und irgendwie hatte man den Eindruck, es tanzen alle miteinander.
Was es im Unterschied zu Weihnachten nur sehr wenig gab, waren Feuerwerke. Patricia hat uns erklärt, dass das in schlechten Jahren immer so ist und ein Signal an die Politik sein soll. Die Inflation ist hier sehr hoch, wir merken es allein in der kurzen Zeit, die wir hier sind schon, und die Menschen hier wissen nicht, was im nächsten Jahr auf sie zukommen wird. Noch dazu haben die Menschen hier, wenn sie sich in den letzten Tagen ein “Feliz ano” gewünscht haben, im gleichen Atemzug einander nachgefragt “Tiene agua, tiene luz?” Denn hier kam es in letzter Zeit immer wieder zu Strom- oder Wasserausfällen. Plötzlich ohne Ankündigung hatte ein ganzes Viertel kein Wasser oder keinen Strom und das nicht nur für kurze Zeit sondern mehrere Tage oder sogar Wochen. Am Silvesterabend hatte gerade Patricias Schwester keinen Strom und erst vorgestern, als wir in der Stadt unterwegs waren, gab es eine Demonstration, bei der die Menschen Strom eingefordert haben. Es ist also im Moment hier eine schwierige Situation. Auch wir erleben hier immer wieder Situationen, in denen wir uns fragen “Es realidad o no?”
So zum Beispiel am Neujahrstag. Nachdem wir uns halbwegs ausgeschlafen hatten, denn wie immer hier in Buenos Aires ist es auch zu Silvester sehr spät geworden, haben wir gemeint, wir könnten ein bisschen frische Luft und Bewegung gebrauchen. Also haben wir beschlossen, in die großen Parkanlagen von Palermo zu fahren. Wir nahmen den Bus, denn an Feiertagen kann man leider kein Fahrrad leihen. Mit 1. Jänner wurden nun hier die Tarife für den Bus ziemlich erhöht und man kann nur mit Münzen bezahlen. Wir haben also für die Fahrt hin schon alle unsre Münzen aufgebraucht. Dort angekommen mussten wir feststellen, dass die größten und schönsten Teile des Parks abgeschlossen waren (sie sind nur am 1. Jänner geschlossen). Was jetzt? Wir beschließen bis zur nächsten größeren Plaza zu gehen, von der es eine U-Bahn zurück in die Innenstadt gibt. Der erste U-Bahn-Abgang zu dem wir kommen, ist ebenso geschlossen. Wir überlegen schon, ob am 1. Jänner auch keine U-Bahn fährt, da zeigt uns ein Passant einen Abgang auf der anderen Seite des Platzes und meint, dass dieser offen sei. Wir gehen also dorthin, er ist offen und als wir das Ticket kaufen wollen, erklärt uns die Frau am Schalter, dass zur Zeit wegen einer Störung keine U-Bahn fährt und sie wisse nicht, wie lange es dauern würde. Nun versuchten wir noch in Bars, Kiosken oder bei Passanten unser Papiergeld in Münzen zu wechseln, um doch den Bus nehmen zu können. Ohne Erfolg, es ging ja auch vielen anderen gleich wie uns. Wie waren also in Palermo gestrandet, das ziemlich weit von unserer Wohnung entfernt liegt. Wir machten uns also zu Fuß auf den Weg, wir wollten ja Bewegung machen. Und dann hatten wir doch noch Glück. Als wir zur nächsten U-Bahn-Station kamen, ist sie wieder gefahren und wir kamen doch auf Rädern zurück in die Innenstadt. Solche Situationen passieren immer wieder – vieles kommt anders als geplant. Aber das ist vielleicht eine gute Übung für uns, um gelassener und flexibler zu werden, aber manchmal ist es schon verrückt. Es gibt einen Tango, der heißt “ballada para un loco” (Ballade für einen Verrückten) – dieser Tango könnte zur Hymne für Buenos Aires werden.
Saludas de un Buenos Aires loco
Andrea