Hallo!
Da schreiben wir von Nachmittagsspaziergängen und Entdeckungsreisen, von Großevents an den Pausentagen und Streifzügen durch die Stadtviertel und ihr fragt euch wohl schon, ob unsere Reise zur Urlaubsreise mutiert ist. Es ist also an der Zeit, einmal zu erzählen, wie unsere Arbeitstage hier verlaufen.
Der Tagesbeginn ist eigentlich ganz gleich wie an den Arbeitstagen zu Hause: Um sieben Uhr läutet der Wecker, dann nehmen wir uns noch ein wenig Zeit, um gemütlich an diesem Tag anzukommen. Der erste Programmpunkt ist unser einstündiges Yogatraining. Bevor wir vor zweieinhalb Jahren nach Buenos Aires aufgebrochen sind, hat uns eine Yogalehrerin dieses Programm zusammengestellt und es uns gelehrt. Es hat uns nicht nur geholfen, den Körper wieder viel beweglicher zu machen, sondern es ist sowohl bezüglich Körperhaltung als auch bezüglich Atmung eine wunderbare Ergänzung zum Tangotanzen. Und nicht zuletzt hilft es mir immer wieder, den Kopf frei zu bekommen und mich zu erden. Danach ist es dann höchste Zeit fürs Frühstücken.
Der nächste Programmpunkt ist das Tanztraining. Zu Hause ist dieses Training fünfmal in der Woche Fixpunkt. Auf unseren beiden Reisen im Vorjahr haben wir gemerkt, wie wichtig es auch während der Zeit der Auftritte ist, so oft wie möglich zu trainieren. Als Straßenkünstlerin ist es nicht möglich, sich während des Tanzes nur auf sich und die Partnerin, auf den Tanz und die Musik zu konzentrieren, sondern es gibt immer Impulse von außen, vom Publikum, von zufälligen Ereignissen oder Geräuschen ringsum. So besteht auch die Gefahr, dass sich Ungenauigkeiten in den Bewegungen oder der Haltung einschleichen. Ohne Training würden sich diese verfestigen und die Präzision, die der Tango erfordert, die Harmonie und die Eleganz, auf die wir in unserem Tanz großen Wert legen, würden darunter leiden. Kurz, wir trainieren also auch auf Reisen regelmäßig.
Hier in Berlin besteht unser Arbeitstag aber erstmals auch aus viel „Büroarbeit“. Im letzten Jahr hatten wir uns ja noch nicht als Künstlerinnen selbständig gemacht, und es gab weder die Website noch den Workshop Solo Tango. Nun gilt es auch während wir unterwegs sind, mit KooperationspartnerInnen per Mail in Kontakt zu sein, Auftritts- und Workshoptermine für die nächsten Monate zu organisieren, Infomaterial zu erstellen und zu verschicken, PR-Aktionen zu setzen … kurz, als AdanzaS auch von hier aus zu arbeiten. Und das, was ich jetzt gerade mache, ist auch Teil unseres Arbeitsalltags geworden: das Schreiben der Blogbeiträge jede für sich, gemeinsam machen wir dann das Korrekturlesen, die Auswahl der Bilder und die Gestaltung der Beitragsseite.
Fixpunkt jedes Arbeitstages ist das Kochen und Genießen unseres Mittagessens! Diesen Luxus, dafür gemeinsam in Ruhe Zeit zu haben, gönnen wir uns einfach. Meist geht sich danach auch ein kurzer Verdauungsspaziergang oder ein kleines „Rasterchen“ aus.
Zur täglichen Arbeit gehört natürlich auch, dass unsere Kostüme auf Schuss gehalten werden. Diesbezüglich haben wir eine klare Arbeitsteilung: Andrea putzt täglich unsere Tanzschuhe und ich bin fürs Waschen und Bügeln zuständig. Vor allem die Figur, in die Andrea in unserem Stück „Encuentro“ schlüpft, verlangt, dass da alles perfekt ist. Erst wenn die Kostüme bereit sind, können wir beginnen, uns für einen Auftritt vorzubereiten.
Hier in Berlin beginnt unser Auftritt am Hackeschen Markt etwa um 17.30 Uhr. Daher fangen wir um 16.00 Uhr erst einmal damit an, alle nötigen Requisiten und Utensilien zusammen zu packen. Darin sind wir mittlerweile schon sehr geübt und wir haben eine gute Technik entwickelt, um alles auf einer kleinen Gepäcksrodel zu befestigen. Danach ziehen wir die Kostüme an, stylen die Haare und schminken uns und zugleich schlüpfen wir dabei in die Rollen unserer Alter Egos. Um kurz vor 17.00 Uhr sollten wir uns dann auf den Weg machen können. Zur U-Bahn haben wir es zum Glück nicht weit, leider gibt es zum Teil aber keine Rolltreppen bzw. funktioniert am Bahnhof Friedrichstraße, wo wir in die S-Bahn umsteigen, jeden zweiten Tag der Aufzug nicht. Aber wir sind auch schon recht geübt, wie wir unser Gepäck über Stufen transportieren.
Am Hackeschen Markt angekommen geht es zuerst einmal ans Aufbauen der Requisiten. Dann ziehen wir die Tanzschuhe an, versuchen uns noch kurz zu konzentrieren, und dann können wir zu tanzen beginnen. Bisher haben wir das Stück „Encuentro“ jeweils dreimal zur Aufführung gebracht. Dazwischen tanzen wir zwei frei improvisierte Tangos und nach dem Stück ergibt sich oft eine kurze Pause, weil wir von Menschen aus dem Publikum angesprochen werden. Insgesamt dauert ein Auftritt also ca. 75 Minuten. Danach geht es wieder ans Schuhewechseln und Einpacken und wir machen uns auf den Heimweg.
Um ca. 19.30 Uhr kommen wir dann in der Wohnung an und da ist der Hunger schon recht groß. Trotzdem ist zuerst noch die Dusche fällig, auch um das Gel aus den Haaren heraus zu bekommen. So sind wir also für 75 Minuten Auftrittszeit knapp vier Stunden „beschäftigt“. Für ein Abendprogramm sind wir dann meist schon zu müde und unsere Arbeitstage klingen ruhig, ohne viele Ereignisse, aus. Immer wieder aber sind wir von einem Auftritt, von der Atmosphäre und den Begegnungen so bewegt, dass es trotz der Müdigkeit gar nicht so leicht fällt, zur Ruhe zu kommen. Aber es ist eine angenehme Erregtheit, ein Erfüllt-Sein von dem, was uns die Straßenkunst schenkt.
So freue ich mich schon auf die nächsten, bald schon die letzten Auftritte hier in Berlin!
Sigrid