An der Opatija-Riviera gibt es viele schöne Plätzchen, die zwar längst kein Geheimtipp mehr, aber jetzt im Herbst ohne den Trubel der Saison besonders reizvoll sind. Wir sind der Küstenstraße von Lovran aus weiter gefolgt, die hoch über dem Meer verläuft, denn die bewaldeten Abhänge des Učkagebirges formen hier eine Steilküste. Nur in wenigen Buchten ist ein Zugang zum Meer möglich und dort schmiegen sich kleine Orte an den Berghang. Unser Ziel war Mošćenička Draga, ein altes Fischerdorf mit einem kleinen Hafen, pittoresken Häusern und einem langen Kiesstrand. Und einmal mehr haben wir es genossen, jetzt im Spätherbst an der Adria zu sein – die Parkplätze waren nicht nur frei, sondern auch kostenlos, in den Bars haben an diesem Vormittag die Menschen des Dorfes ihren Kaffee genossen, andere sind ihrer täglichen Arbeit nachgegangen und eine Kindergartengruppe ist zum Spielen nicht auf einen Spielplatz, sondern an den Strand gegangen. Alltagsleben am Meer ohne Touristinnen und Touristen.
Wir ließen uns treiben, schlenderten durch die kleinen Gassen und am Hafen bevor wir den Kiesstrand entlang gingen. Direkt nach dem letzten Gebäude wird es wieder felsig und der Wald reicht bis an die Klippen. Im Licht der tiefstehenden Sonne ein bezaubernder Anblick!
Und hier, am Ende der Bucht, beginnt ein alter Treppenweg, der das Fischerdorf mit dem kleinen, mittelalterlichen Ort Mošćenice, der hoch über dem Meer thront, verbindet. Die alten Steintreppen und die kleinen Steinmauern, die den Weg hier und da stützen, sind mit Moos bedeckt. Manchmal ist es dunkel und fast mystisch, dann wieder findet die Sonne einen Weg zwischen den alten Steineichen und den Lorbeersträuchern, die hier so groß wie Bäume sind, und verzaubert den Wald nochmals ganz anders. Der Aufstieg ist nicht ganz mühelos und wir sind selbst an diesem strahlend schönen Herbsttag froh über den Schatten der Bäume.
Oben angekommen erwarteten uns Sonne und Weite. Hoch über dem Meer blickten wir über die Kvarner Bucht zu den Inseln Cres und Krk, die tiefstehende Herbstsonne tauchte alles in ein weiches Licht und wie schon in den Jahren zuvor, wenn wir im Spätherbst hier waren, strahlte das leere Meer – ohne Boote oder Schiffe – eine unglaubliche Ruhe aus. Die Bäume in den kleinen Gärten direkt vor uns haben ihre Blätter bereits verloren oder leuchteten im gelben Herbstkleid. Doch wenn wir uns umdrehten und auf das kleine Dorf blickten, hätten die blühenden Rosen und der Lavendel uns glauben lassen können, es sei noch Sommer. Und auch die Kraft der Sonne war hier oben deutlich zu spüren und die herbstliche Kleidung, die am Morgen passend erschien, war nun zu viel des Guten. Kurzentschlossen kauften wir in dem kleinen Geschäft von Mošćenice eine Jause und machten es uns für ein Picknick gemütlich, blickten aufs Meer und waren glücklich und zugleich dankbar für diesen Augenblick.
Nach dem Abstieg führte unser Weg wieder direkt am Strand entlang. Die Kindergartenkinder waren wohl schon zu Hause, die Menschen des Dorfes beim Mittagessen – jedenfalls waren wir fast allein unterwegs. Auch im Café Porto waren alle Tische frei und wir krönten diesen zauberhaften Tag mit einem schönen Espresso.
Spontan kam der Gedanke, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, wie es hier im Sommer zugeht und sogleich stellte ich fest: ich will es auch gar nicht wissen!
Sigrid