Entstehung und Entwicklung des Tangotanzes Teil 1

Tango Argentino, ein Tanz, der mittlerweile weltweit getanzt wird und zum Weltkulturerbe zählt. Dass das so ist, ist höchstwahrscheinlich der fortwährenden Weiterentwicklung seiner choreografischen Gestaltung zu verdanken. Es ist ein gewachsener Tanz, der beides, Tradition und Erneuerung, in sich vereint. In diesem und einem folgenden Beitrag versuche ich einen kurzen geschichtlichen Abriss dieser Entwicklung zu skizzieren und dabei eine Untergliederung in Epochen vorzunehmen. Die Jahresangaben sind dabei Richtwerte, da eine genaue Zeitbestimmung auf Grund fehlender Quellenangaben nicht möglich ist. Als Vorlage dafür diente mir das Buch Tango, eine heftige Sehnsucht nach Freiheit von Gloria und Rodolfo Dinzel.

Erste Epoche (ca. 1860 – 1890)
In diese Zeit fällt der Ursprung, die Entstehung dieses Tanzes, indem ein neuer Modus sich zu bewegen und zu tanzen auftauchte. Es gab dafür keine eindeutig definierte Musik, sondern man tanzte nach der Musik der Zeit: Walzer, Polka, Mazurka, Paso Doble, Quadrille, Habanera, Milonga, … Erst gegen Ende dieser Epoche, ca. 1880, wird auf diese bestimmte choreografische Form eine Musik angewandt, die Tango genannt wird und von jenem Tanzmodus Besitz ergreift, den man von da ab als Argentinischen Tango kennt. Tango entstand also zuerst als Bewegung, zu der später die Rhythmen, die Musik und schließlich der Text hinzu kommen. Aus dieser Zeit haben sich auch die drei Rhythmen, Tango (4/8 Takt), Milonga (2/4 Takt) und Vals (3/4 Takt) erhalten.
Was war nun aber neu an dieser Art sich zu bewegen? Einerseits wurde die choreografische Form gänzlich improvisiert, dass niemand sicher wusste, wo und in welchem Moment was geschehen würde, nur das Wie war vorhersehbar. So etwas gab es in allen geläufigen Tänzen jener Zeit nicht. Und das Zweite völlig Neue war, dass es zu Unterbrechungen der Fortbewegung kam. Die Weigerung zu tanzen wurde zum Symbol der Freiheit. Bei den Cortes, wie man diese Unterbrechungen nennt, hielt das Paar mitten im Tanz an, um anschließend gleichzeitig weiter zu tanzen. Dabei ergaben sich eng aneinander geschmiegte Posen während des tänzerischen Stillstandes, was in jener Zeit als skandalös galt. Außer diesen Ruhemomenten, die einem gemeinsamen, gleichzeitigen Schweigen beider Tanzenden gleichkam, gab es auch noch die Abwartehaltung, also das Schweigen der einen Person, während die andere sich ausdrückte. Es handelte sich um Augenblicke der schweigsamen Aufmerksamkeit wie im Gespräch, um wahrnehmen zu können, was der/die andere mitteilt.
Das Wesen dieses Tanzes, nämlich die Improvisation und der Dialog der beiden Tanzenden, wurde also schon in dieser ersten Epoche grundgelegt.

Zweite Epoche (ca. 1890 – 1920)
In dieser Zeit konzentrierte sich die Choreografie vor allem auf die Figuren, die die Füße beim Tanzen auf dem Boden zeichnen. Unter Figuren verstehen wir hier eine Reihe von Bewegungen, die als solche wiedererkannt und wiederholt werden können. Es entstanden z.B. die Ochos (Achten) oder die Media Luna (Halbmond). Außerdem wurde auf einen höheren Grad an Präzision in den Bewegungen Wert gelegt. Auch die Tanzhaltung änderte sich, indem die Körper weiter voneinander entfernt waren, aber Kopf an Kopf getanzt wurde, was wahrscheinlich der Notwendigkeit entsprang, zu beobachten, was sich auf dem Boden ereignete.
Dieser Epoche verdanken wir also jene festgelegten Bewegungsabläufe, die als grundsätzliches Repertoire dieses Tanzes bis heute erhalten sind.

Dritte Epoche (ca. 1920 – 1940)
Diese Epoche könnte man mit dem Wort Eleganz betiteln. Zum ersten Mal wurde auf die Eleganz geschaut, es ging immer mehr darum, wie die Bewegungen ausgeführt wurden. Eine Vielzahl von Techniken zur Gestaltung der tänzerischen Eleganz gewinnt an Bedeutung: die Gleichgewichtsachse,  die Gelenkspannung durch leichtes ins Knie gehen, das Schweben, indem man mit den Schultern auf einer Ebene bleibt, um nur einige zu nennen. Man stellte sich auch erstmals die Frage, welche Rolle der Oberkörper beim Tanzen spielt und es entwickelte sich ein Stil der vollkommen aufrechten Haltung.
Nachdem der Tango aus Europa triumphal nach Buenos Aires zurückgekehrt war und sich endgültig in den Salons etablierte, ergab sich in dieser Zeit auch das, was als Salon-Tango bekannt wurde. Dabei stehen sich die Oberkörper vollständig gegenüber, wahrscheinlich durch den europäischen Einfluss, aber in geringerem Abstand der Körper und die Gesichter schauen zum Rücken des Partners/der Partnerin. Es ergab sich dadurch mehr Geradlinigkeit, aber eine geringere Bewegungsmöglichkeit bei der Ausführung der Figuren, weshalb man diesen Stil auch schlichten Tango nennt.
In dieser Zeit kam es also zu einer Entwicklung der Ästhetik, es kam nicht so sehr auf „schwierige Figuren“ an, sondern auf Tangogefühl, Eleganz und Sicherheit.

Soweit nun die Tanzentwicklung bis in jene Zeit, als die goldene Ära des Tangos anbrach. Im zweiten Teil geht es dann um dieses goldene Jahrzehnt und davon ausgehend die jüngsten Weiterentwicklungen bis herauf zum Tango Nuevo.

Andrea

Verwendete Literatur:
TANGO eine heftige Sehnsucht nach Freiheit, Gloria und Rodolfo Dinzel, Verlag Abrazos

2 Kommentare zu „Entstehung und Entwicklung des Tangotanzes Teil 1“

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