Stadt und Berg und See und Kunst

Wir sind gerade in Bregenz und verbinden wieder einmal die Arbeit mit dem Vergnügen. Nein, ich muss mich korrigieren, denn die Arbeit derentwegen wir hier sind, ist die Straßenkunst und diese ist für uns das reinste Vergnügen! Also sollte ich wohl besser schreiben, dass wir gerade unterwegs sind, um auf der Straße zu tanzen und zugleich einen neuen Ort zu erkunden. Und das nicht nur tagsüber, wenn wir die Stadt durchstreifen und die zahlreichen Freizeitmöglichkeiten in der nächsten Umgebung nutzen, sondern auch als Straßenkünstlerinnen machen wir eine überraschende Entdeckung: es gibt tatsächlich eine Stadt in Österreich, in der Straßenkunst nicht reglementiert ist! Gerade jetzt, zur Festspielzeit, sind abends unglaublich viele Menschen auf der Seepromenade unterwegs – schick gemacht für den Opernabend oder flanierend, um den Sonnenuntergang zu genießen. Es ist schon Jahre her, dass wir so viel Publikum bei unseren Auftritten hatten und die Atmosphäre direkt am Wasser ist wirklich beeindruckend. Und wieder einmal zeigt sich, was es braucht, damit spontane Straßenkunst funktioniert: wenn wir ganz in der Präsenz und im Stück Mascarada sind, dann springt der Funke über, dann bleiben die Menschen stehen, schenken uns Applaus und Feedback und warten manchmal sogar die kurze Pause ab, die wir brauchen um uns neu zu positionieren, um das Stück ein weiteres Mal zu tanzen. Nach einer Auftrittsrunde von 1 – 1 ½ Stunden sind wir müde, aber beglückt und erfüllt von der Dichte, die die Straße als Bühne so besonders macht!

Für unseren Aufenthalt hier haben wir seit langer Zeit wieder mal eine Wohnung über Airbnb gesucht und hätten keine bessere finden können: an der Westflanke des Pfänder, dem Bregenzer Hausberg, mit einem wunderschönen Ausblick auf den Bodensee. Jeden Abend sitzen wir auf dem kleinen Balkon, stärken uns nach dem Auftritt und genießen das täglich wechselnde Fernsehprogramm, denn keine Abendstimmung gleicht der vorigen!

Besonders fein ist die Lage der Wohnung, gerade nicht mehr in Bregenz sondern in Lochau, auch deshalb, weil wir alle Örtlichkeiten zu Fuß erreichen können. So begann unsere Wanderung auf den Pfänder direkt an der Haustüre, ein steiler Weg führte uns zuerst durch eine Schlucht, wurde breiter und  bot immer wieder schöne Ausblicke auf den See. Nach einem Aufstieg von 600 Höhenmetern fanden wir uns zwischen den Bergen und dem See – sogar jetzt im Sommer ohne klare Sicht eröffnete sich ein tolles Panorama.

Anderntags sind wir in wenigen Minuten hinunter zum See gegangen und haben es uns im ältesten Seebad von Bregenz gemütlich gemacht. Das sogenannte Milibad wurde 1825 als Militärschwimmschule der Kaserne direkt am Ufer errichtet, später erweitert und renoviert, und verspricht heute einen Badetag wie vor 100 Jahren. Und tatsächlich ist es angenehm ruhig und ein wenig gediegen, ältere Damen sitzen in Badeanzügen beim Bridgespiel während Kinder unter den Stelzen im Wasser „Abfangen“ spielen. Der alte Holzbau wirkt elegant und ist einfach schön – beauty eben.

Beauty ist auch der Titel einer Ausstellung im vorarlberg museum, der uns sogleich anspricht und in diesen modernen, architektonisch interessanten Bau – direkt im kulturellen Zentrum der Stadt, dem Kornmarkt mit den Theater und dem Kunsthaus Bregenz – lockt. Stefan Sagmeister und Jessica Walsh ergründen in dieser Schau, warum Menschen sich von Schönheit angezogen fühlen, welche positiven Auswirkungen Schönheit haben kann und dass Schönheit keine Oberflächenstrategie ist, sondern zentraler Bestandteil des Menschseins. Wir lieben Schönheit und sind begeistert ob der vielfältigen Herangehensweise  an das Thema.

Beauty ist aber auch das passende Wort für die Seepromenade, die nicht nur zum Flanieren oder auf einen Aperitif in der Sunset Bar einlädt, sondern an der klar wird, warum Bregenz von sich behauptet, dass Kunst im öffentlichen Raum eine Stärke dieser Stadt ist: von spontanen Kunstaktionen wie einem Klavier am Hafen, dass jede und jeden zum Spielen einlädt und zugleich um Spenden für ein Flüchtlingsprojekt bittet, über uns und unsere Kolleginnen und Kollegen der Straßenkunst bestätigt sich, dass hier nicht nur die sogenannte Hochkultur mit den Opernaufführungen auf der Seebühne, dem Theater und einer weiteren Opernbühne Platz hat.

Nach diesen Tagen hier wundere ich mich, warum wir im Osten Österreichs so wenig von Bregenz wissen und so selten auf die Idee kommen, uns auf die Reise hinter den Arlberg zu machen. Zugegeben, der Weg ist weit, aber mit dem Klimaticket gibt es jetzt ja eine attraktive Form um quer durchs Land zu reisen. Ob sich also, wie nach dem letzten Blogartikel Lendspirit, auch diesmal eine Leserin oder ein Leser spontan in den Zug setzen wird? Wir jedenfalls werden ganz bestimmt wieder nach Bregenz kommen – um die Seepromenade zur Bühne zu machen und diese Stadt am Wasser zu genießen! 

Sigrid

3 Kommentare zu „Stadt und Berg und See und Kunst“

  1. Liebe Andrea, liebe Sigrid!
    Wie immer, ein sehr anregender blog -Beitrag mit Sinn für die feinen Details und Besonderheiten. Rund um Bregenz zu erwähnen wären auch – für Längerdableiber: der Bregenzerwald, die Insel Mainau und Lindau ( schon in Deutschland) und natürlich – gar nicht weit entfernt – das Frauenmuseum in Hittisau.
    Schönen Sommer und viele gelungene Auftritte mit animierten ZuschauerInnen wünscht Euch
    Susanne

    1. Danke, liebe Susanne, für deine feinen Worte! In Lindau waren wir gestern per Schiff, aber wir wollten den Rahmen eines Blogartikels nicht sprengen … ein nettes Städtchen und eine schöne Schifffahrt! Und durch den Bregenzerwald fahren wir nach unseren Auftritten zum Wandern. Liebe Grüße, Andrea und Sigrid

  2. Ihr Lieben, ich freu mich mit Euch über die wunderbaren Bregenz – Erfahrungen! Ich war vor ein paar Jahren durch die gesamtösterreichische Pfarrkonferenz dort und auch angenehm überrascht. Mein Morgenlauf am See… LG Hans-Jürgen

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