Mujeres y Tango – Frauen und Tango

Vor drei Jahren in Buenos Aires besuchten wir regelmäßig die Tangoschule „Escuela de Tango Argentino“, die sich im selben Haus mit einer Galerie befand. Anfang Jänner gab es in dieser Galerie die Ausstellung Somos mujeres (Wir sind Frauen). Und jedes Mal auf dem Weg zu unserem Tangounterricht gingen wir durch die Ausstellungsräume. Ein Text beschrieb, worum es in dieser Ausstellung ging:

Ser
hacer
parecer
pertenecer

Somos mujeres
desde ese lugar hacemos
a veces parecemos
pero sobre todo pertenecemos

Ich würde diesen Text folgendermaßen übersetzen:

Sein
tun
scheinen
gehören

Wir sind Frauen
seit wir diesen Ort schaffen
manchmal scheinen wir …
aber vor allem gehören wir …

Mir scheint dieser Text am Beginn meines Artikels über Frauen und den Tango sehr passend. In der Geschichte des Tangos war die Frau anfangs eindeutig das Opfer, die Fügsame, die Dienende, die durch dominante Männer unterdrückt wurde, die ihnen gehörte. Der Tango entstand ja in den Spelunken, Kneipen und Bordellen des Hafenviertels von Buenos Aires zu Beginn des 20. Jahrhunderts. So war „die Tanguera ein knappes Jahrhundert lang pures Produkt männlicher Projektionen: eine Hure mit Herz auf der Zunge und Rhythmus im Blut. Eine Frau, die keine Zukunft, dafür aber viel Vergangenheit hatte und dem Mann als Vorwand für sein Unglück diente.“ Diese Beschreibung findet sich im Einleitungstext der CD von Silvana Deluigi mit dem Titel Tanguera Woman in Tango. Sie will auf ihrer musikalischen Suche mit diesem Klischee „saufender Machos und weinender Huren“ aufräumen. Lied für Lied rekapituliert sie die Geschichte des Tangos aus dem Blickwinkel der Frau. Und sie bewegt sich weg von den Hymnen des Machismus hin zur poetischen Beschreibung der Veränderung von Alltag und Gesellschaft, wenn sie z.B. Carlos Gardels Pero hay una melena umtextet und singt:“ Heute scheinen alle Mädchen zu rauchen, Whisky zu trinken und Hosen zu tragen, …“ . Mit der Emanzipation der Frau entstehen als wieder Klischees oder Trugbilder, die der Rolle der Frau nicht gerecht werden.

Nun, konnten sich Frauen in der Welt des Tangos von oben genannten Rollenzuweisungen befreien und zur Entwicklung des Tangos als Schaffende beitragen? Tatsächlich waren Frauen immer schon ein wichtiger Teil der Tangogeschichte. Auch wenn ihre Rolle nur als Tanzpartnerinnen der Männer begann, hatten in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts einige von ihnen einen wohlverdienten Platz als Sängerinnen und Darstellerinnen eingenommen. Es etablierte sich ein neues Frauenbild: starke und begeisterungsfähige Frauen, die ihren eigenen Stil und ihre Persönlichkeit in das Milieu einbrachten, das bis dahin ausschließlich eine Männerdomäne gewesen war. Schwieriger war es für Musikerinnen und Komponistinnen. Auch wenn es eine Zeit gab, in der die sogenannten „Damenorchester“ sehr en vogue waren, gab es doch in den führenden „typischen“ Orchestern lange Zeit keinen Platz für sie. Als Komponistinnen wurden sie überhaupt nicht wahrgenommen. Obwohl z.B. Mercedes Simone, die „die Dame des Tangos“ genannt wurde, bereits in den 1930er Jahren viele ihrer Stücke selbst komponierte und auch textete. Eine der ganz großen Tangokomponistinnen war Eladia Blázquez. Sie hat während der 1970er Jahre Stil und Thematik der Tangopoesie verändert und zu Texten berühmter argentinischer Schriftsteller, wie z.B. Jorge Luis Borges, zahlreiche Kompositionen geschaffen, die zu „Tangohits“ wurden. Diese Tradition setzen heute junge Tangomusikerinnen fort, wenn z.B. Las Chicas del Tango aus Finnland zu Gedichten der großen argentinischen Poetin Alfonsina Storni, bekannt für ihren feministischen Gesichtspunkt zu der Rolle der Frau, Werke komponieren.

Heutzutage kann man Frauen an allen Instrumenten eines Tangoorchesters, auch am Bandoneon, bewundern. Einige haben auch die Leitung von Orchestern übernommen. Beba Pugliese z.B., die Tochter des berühmten Musikers Osvaldo Pugliese, leitete das Orchester ihres 1955 verstorbenen Vaters. Als Tänzerinnen hatten Frauen ja schon zur Anfangszeit des Tangos, zwar nur als Tanzpartnerinnen der Männer, ihren Platz. Aber auch in diesem Bereich begannen sie als eigenständige Tänzerinnen und Choreografinnen aufzutreten, wie z.B. auch unsere Lehrerin in Buenos Aires, Aurora Lubiz. Darüber hinaus gibt es Tangotanzformationen, die nur aus Frauen bestehen, wie Tango between women, die beim Queertango-Festival 2016 in Buenos Aires aufgetreten sind. Und auch wir sind als Frauenduo tangotanzend unterwegs.

„Die Damen sind an der Reihe“ heißt die Überschrift zum Kapitel über Frauen und Tango im Buch Tango von Eduardo Araníbar. Ich würde sagen die Frauen sind bereits ein Jahrhundert lang wesentlich an der Entwicklung des Tangos beteiligt, waren also immer schon in der Reihe.

Andrea

Verwendete Literatur: Tango, Eduardo Araníbar, HEEL Verlag

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